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PMS 07/18 v. 07.02.2018
Die Bertelsmann-Stiftung hat heute eine Studie zur Einkommenssituation von Familien veröffentlicht. Fazit: Arme Familien sind ärmer als bislang gedacht; die Einkommensschere geht weiter auseinander. „Die neue Studie zeigt: Es ist immer noch nötig, für eine gerechtere Gesellschaft zu kämpfen“, sagt Birgit Eckhardt, Vorsitzende des Paritätischen Wohlfahrtsverbands Niedersachsen e.V. „In den vergangenen Jahren hat die Politik einfach nicht genug getan.“ Niedersachsen hat eine neue Regierung, im Bund haben sich Union und SPD ebenfalls auf eine Zusammenarbeit geeinigt. „Wann, wenn nicht jetzt, könnte Politik ein starkes Zeichen setzen und Familien mit Kindern endlich wirksam unterstützen?“
Eine Forschungsgruppe der Ruhr-Universität Bochum hat im Auftrag der Bertelsmann-Stiftung die Stichhaltigkeit bisheriger Statistiken zur Wohlstandsverteilung untersucht. Das Ergebnis ist ernüchternd. Die bisher verwendeten Kriterien seien zu starr und würden die Lebensrealität von Familien nicht passend abbilden. Ein Beispiel: Ein wohlhabendes Paar habe oft schon bei der Geburt des ersten Kindes eine ausreichend große Wohnung, um darin ein Kinderzimmer einzurichten. Eine Familie mit niedrigem Einkommen müsse meist in eine größere Wohnung umziehen – mit entsprechend höheren Wohnkosten. „So werden Kinder schnell zum Armutsrisiko. Solche Zusammenhänge sind eigentlich jedem bewusst“, sagt Birgit Eckhardt. „Aber offizielle Statistiken blenden sie einfach aus.“
Die neue Studie berücksichtigt derlei Variablen. Im Ergebnis ist das Armutsrisiko für Paare mit Kindern um drei Prozent höher als bislang angenommen. Bei Alleinerziehenden ist die Situation noch deutlich gravierender: 68 statt wie bisher gedacht 46 Prozent von ihnen leben in Armut oder sind gefährdet, in Armut abzurutschen. „Vor solchen Zahlen darf die Politik nicht die Augen verschließen“, sagt Birgit Eckhardt. Der Paritätische Wohlfahrtsverband Niedersachsen e.V. fordert ein radikales Umdenken in der Familienförderung. „Das Herumdoktern an einzelnen Symptomen und die Klientelpolitik müssen aufhören“, sagt Birgit Eckhardt. So komme die Abschaffung der Kindergartengebühren in Niedersachsen nur dem Mittelstand und Besserverdienern zugute. „Wenn wir wirklich allen Kindern helfen wollen, muss endlich auch die Qualität der Kinderbetreuung besser werden.“
„Bildung und gesellschaftliche Teilhabe sind der Schlüssel, um Kinder aus dem Teufelskreis der Armut zu befreien“, sagt die Landesvorsitzende des Paritätischen. Gute Bildung darf nichts kosten, deshalb muss Niedersachsen die Lernmittelfreiheit einführen. Familien brauchen einen Rechtsanspruch auf gute Ganztagsbetreuung, vom Krippenalter bis zum Ende der Grundschule. Länder und Bund müssen sich auf Qualitätsmaßstäbe und Personalschlüssel einigen. „Und wir brauchen eine Kindergrundsicherung“, fordert Birgit Eckhardt. „Eine unbürokratische Leistung, die das existierende komplizierte Geflecht aus Zuwendungen ablöst und hilft, allen Kindern echte Teilhabe am gesellschaftlichen Alltag und ein sorgenfreies Aufwachsen zu ermöglichen."
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