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PM 28/22 v. 19.08.2022
„Die geplante Mehrwertsteuersenkung auf den Gasverbrauch ist sozial ungerecht“, sagt Kerstin Tack, Vorsitzende des Paritätischen Niedersachsen. „Sie entlastet Wohlhabende viel mehr als armutsbetroffene Menschen. Die Bundesregierung knüpft damit nahtlos an den Tankrabatt an, der auch schon Gutverdienerinnen und Gutverdiener bevorzugt hat. Wer es wirklich nötig, wird dagegen nicht ausreichend entlastet.“
Es hätte andere Möglichkeiten gegeben, die Verbraucher*innen spürbar zu entlasten: einen Preisdeckel für einen Grundbedarf an Gas etwa – wer mehr verbraucht, müsste für den Mehrbedarf dann deutlich höhere Preise in Kauf nehmen; auch ein erneuter Heizkostenzuschuss für Menschen mit geringen Einkommen wäre eine Option; oder ein erneutes Energiegeld. „So profitieren nun die Menschen, die am meisten Gas verbrauchen, auch am meisten von der gesenkten Mehrwertsteuer“, sagt Kerstin Tack. „Und das sind nun mal nicht arme Familien , die zu fünft in einer 60-Quadratmeter-Wohnung im Mehrfamilienhaus leben. Das sind Wohlhabende mit großen Einfamilienhäusern.“
Und dabei ist noch gar nicht klar, ob die geplante Entlastung bei den Bürger*innen überhaupt ankommt. Die Bundesregierung appelliert zwar an die Energiekonzerne, die Mehrwertsteuersenkung in vollem Umfang an die Kund*innen durchzureichen. „Aber wir haben ja beim Tankrabatt gesehen, dass die Unternehmen solche Appelle nicht ernstnehmen. Stattdessen vergrößern sie im Windschatten von Abgabensenkungen gern ihre Margen, und die Verbraucher*innen sind die Dummen.“ Eine Übergewinnsteuer könnte die Krisengewinne der Energiekonzerne abschöpfen – und Spielraum schaffen für gezielte Entlastungen, etwa durch ein Energiegeld oder Einsparprämien.
Die nun geplante Mehrwertsteuersenkung regt dagegen wenig zum Energiesparen an. „Das ist auch unter dem Aspekt nicht nachvollziehbar, dass unsere Gesellschaft möglichst schnell unabhängig werden soll und muss von russischem Gas und von fossilen Energieträgern insgesamt“, sagt Kerstin Tack. „Senken wir den Verbrauch nicht rasch, droht uns im Winter das Gas knapp zu werden. “
Unterstützung braucht auch die Sozialwirtschaft. Pflegeeinrichtungen, Frauenhäuser, Beratungsstellen und viele weitere Einrichtungen haben ohnehin mit einem engen Finanzierungsrahmen zu kämpfen. „Wir müssen aufpassen, dass die soziale Infrastruktur die aktuellen enormen zusätzlichen Belastungen auch weiterhin stemmen kann, sonst drohen Angebote wegzufallen“, sagt Kerstin Tack. In der Corona-Pandemie hat der Bund mit dem Sozialdienstleistereinsatzgesetz schnell Abhilfe geschaffen und die Sozialstruktur im Land gesichert. „Angesichts der Kostenexplosionen bei Energie, Lebensmitteln und beim Bau braucht die Sozialwirtschaft nun erneut Unterstützung!“