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PM 40/21 v. 24.11.2021
Der Paritätische Niedersachsen bewertet den zwischen SPD, Grünen und FDP ausgehandelten Entwurf für einen Koalitionsvertrag verhalten optimistisch: Die notwendige Neu-Architektur der Sozialversicherung bleibt zwar aus, doch das ist von diesem Parteienbündnis auch nicht zu erwarten gewesen. Es finden sich eine ganze Reihe wichtiger und guter Punkte in dem Papier, der Paritätische warnt allerdings davor, dass das Tabu jeglicher Steuererhöhungen zur Achillesferse auch dieser Bundesregierung werden könnte.
„Man kann schon sagen: Das Glas ist mindestens halbvoll. Und das ist mehr, als bei einem solchen Zweckbündnis erwartet werden durfte”, sagt Rainer Flinks, Vorstand des Paritätischen Niedersachsen. „Der Vertrag enthält eine ganze Menge sehr positiver Punkte. Zur sachlichen Bewertung gehört aber auch: Wenn es die Ampel ernst meint mit dem viel beschworenen Fortschritt, müssen auch die noch vorhandenen sozial- und armutspolitischen Leerstellen im Koalitionsvertrag im Laufe der Legislaturperiode gefüllt werden“, so Flinks.
Positiv bewertet der Paritätische u.a. die deutliche Erhöhung des Mindestlohns auf zwölf Euro, aber auch vielversprechende pflegepolitische Vorhaben im Koalitionsvertrag, etwa die Einführung einer Lohnersatzleistung für pflegende Angehörige und die Ankündigung, die pflegebedingten Eigenanteile abzusenken und die Einführung einer Pflegevollversicherung zu prüfen. Mit dem Einstieg in eine Kindergrundsicherung und in den gemeinnützigen Wohnungsbau werden zudem geradezu Meilensteine gesetzt. „Man kann diese beiden Punkte gar nicht überschätzen, da hier wirklich neue Strukturen zum Wohle der Menschen geschaffen werden“, sagt Flinks. Auch dass sich die Koalition geeinigt habe, ein Klimageld zur sozialen Kompensation steigender CO2-Preise zu entwickeln, sei voll zu begrüßen.
Der Verband appelliert an die Koalitionspartner, die skizzierten Vorhaben zügig und ambitioniert umzusetzen, sich weiteren notwendigen Reformen im Laufe der Legislatur jedoch nicht zu verschließen. Insbesondere von der angekündigten Überwindung von Hartz IV kann noch keine Rede sein. Zwar ist die Aussetzung von Sanktionen ein wichtiger Schritt, unbedingt folgen muss aber die substanzielle, bedarfsgerechte Erhöhung der Regelsätze in Hartz IV und Grundsicherung. „Angesichts der Not der Betroffenen und der verfassungsrechtlichen Verpflichtung, das soziokulturelle Existenzminimum abzusichern, kann hier das letzte Wort noch nicht gesprochen sein”, so Flinks.
Inwiefern eine künftige Ampel-Koalition zum gesellschaftlichen Zusammenhalt beitragen wird können, steht nach Ansicht des Paritätischen insgesamt grundsätzlich unter Finanzierungsvorbehalt. Dass die Koalition offenbar auf Steuererhöhungen verzichten und stattdessen auf weitgehend haushaltsneutrale Umschichtungen setzen will bzw. auf wirtschaftliches Wachstum hofft, sieht der Verband mit Sorge: „Wenn in den kommenden vier Jahren kein finanzpolitisches Wunder geschieht, kann auch diese Koalition möglicherweise schnell in ganz schwere Fahrwasser kommen“, warnt Flinks.