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PMS 04/19 v. 05.02.2019
„Es darf keine Straftat sein, Frauen Informationen darüber zu geben, welche Möglichkeiten sie in einer existenziellen Krise haben“, sagt Birgit Eckhardt, Vorsitzende des Paritätischen Wohlfahrtsverbands Niedersachsen e.V., zur Diskussion über § 219a des Strafgesetzbuchs. Der Paragraf regelt, dass z.B. Arztpraxen keine Werbung für Abtreibungen machen dürfen. Allerdings legen Gerichte wie im Fall Kristina Hänel dieses Verbot so weitgehend aus, dass selbst die bloße Information auf einer Website darüber, dass eine Ärztin Abtreibungen durchführt, bereits als strafbar angesehen wird. „Das erschwert Frauen, die sich ohnehin in einer unglaublich schwierigen Situation befinden, den Zugang zu wichtigen Informationen“, sagt Birgit Eckhardt. „Die Bundestagsabgeordneten sollten im Sinne der betroffenen Frauen entscheiden, den Paragrafen einfach abzuschaffen.“
Das Bundeskabinett will am Mittwoch über einen Gesetzesvorschlag zur Änderung des Paragrafen 219a entscheiden – viele Bundestagsabgeordnete wollen den Passus am liebsten ganz aus dem StGB entfernen. „Der vorliegende Entwurf spiegelt leider immer noch ein grundlegendes Misstrauen gegenüber schwangeren Frauen sowie Ärztinnen und Ärzten“, sagt Birgit Eckhardt. „Rechtsklarheit bringt dieser Entwurf mit Sicherheit nicht.“
Für Frauen ist es in den vergangenen Jahren ohnehin deutlich schwieriger geworden, eine Abtreibung vornehmen zu lassen. Abtreibungsgegnerinnen und -gegner haben wiederholt Anzeige gegen Praxen erstattet, die niedrigschwellig Basisinformationen zum Thema im Internet zur Verfügung gestellt haben. Kliniken, die Abtreibungen vornehmen, werden von einer kleinen radikalen Gruppe massiv unter Druck gesetzt, Ärzte und Ärztinnen eingeschüchtert und bedroht. Die Zahl der Kliniken und Praxen, die überhaupt Schwangerschaftsabbrüche durchführen, ist seit dem Jahr 2000 um rund 40 Prozent gesunken. „Das sind dramatische Zahlen“, sagt Birgit Eckhardt. „Vor allem in unserem Flächenland Niedersachsen mit seinen weiten Wegen ist es unerlässlich, dass Frauen unkompliziert und schnell an Informationen gelangen und herausfinden können, in welcher Arztpraxis sie sich beraten lassen können. Das Netz an Beratungsstellen ist im ländlichen Raum bei Weitem nicht dicht genug, um diesen raschen Zugang zu Information zu gewährleisten.“
Vor mehr als 40 Jahren wurden die Gesetze zum Schwangerschaftsabbruch grundlegend geändert. Das Recht der Frau auf Selbstbestimmung in dieser höchst intimen und persönlichen Frage wird aber in der Debatte um § 219a wieder zunehmend in Frage gestellt. „Die Politik sollte in dieser Debatte auch ein Zeichen setzen, ein Zeichen für das Selbstbestimmungsrecht der Frau, ein Zeichen für eine moderne, mündige Gesellschaft“, sagt Birgit Eckhardt. „Damit könnten die Bundestagsabgeordneten auch zeigen, wie hanebüchen dieser Paragraf ist. Keine Frau entscheidet sich aufgrund von sogenannter Werbung dafür, eine Schwangerschaft abzubrechen.“