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PM 06/21 v. 08.03.2021
"Die Frauen in Deutschland tragen die Hauptlast dieser Pandemie", sagt Birgit Eckhardt, Vorsitzende des Paritätischen Wohlfahrtsverbands Niedersachsen e.V., anlässlich des Internationalen Frauentags am 8. März. "Die Teilzeitquote von Frauen mit minderjährigen Kindern lag schon vor der Krise bei 66 Prozent und ist in der Pandemie noch gestiegen. Männer arbeiten nur zu ungefähr sechs Prozent in Teilzeit. Gleichzeitig leisten Frauen ungefähr zwei Stunden pro Tag mehr Sorgearbeit als Männer – und auch das ist in den vergangenen Monaten noch mehr geworden. Der Frauentag muss uns einmal mehr der Anlass sein, über den Stand der Gleichstellung in unserem Land nachzudenken."
Seit mehr als 100 Jahren dient der Weltfrauentag dazu, der Gesamtgesellschaft in Erinnerung zu rufen, wie wichtig der Kampf (nicht nur) von Frauen für gleiche Rechte und gegen Diskriminierung ist. Die Corona-Pandemie macht derzeit die frauenpolitischen Defizite der vergangenen Jahrzehnte deutlich sichtbar – das Virus ist auch in diesem Zusammenhang nicht der "große Gleichmacher", als der es zu Anfang der Krise oft bezeichnet wurde. "Schon vor Corona war es für Frauen schwierig, Beruf, Familie und Freizeit gut auszubalancieren", sagt Birgit Eckhardt. "Jetzt stecken die Frauen noch mehr zurück."
Mehrere Umfragen und Studien zeigen deutlich, dass Frauen in den vergangenen Monaten häufiger ihre Arbeitszeit reduziert haben als Männer, dass mehr Frauen die Kinder beim Homeschooling unterstützen, dass mehr Frauen neben Homeoffice in Vollzeit versuchen, Kleinkinder zu Hause zu betreuen, weil sie keinen Anspruch auf einen Notbetreuungsplatz haben. "Aussagen aus der Politik, dass man im Homeoffice ganz nebenbei auch noch die Erzieherin oder Tagesmutter ersetzen kann, zeugen von absoluter Weltfremdheit", sagt die Vorsitzende des Paritätischen. "Die Politik hat Mütter und vor allem Alleinerziehende in dieser Krise alleingelassen."
Das gilt noch mehr für die Frauen, die in der Pandemiesituation dafür gesorgt haben, dass die Gesellschaft nicht zusammenbricht: Pflegekräfte im Gesundheitssystem und in der Altenpflege, Reinigungskräfte, Kassiererinnen in Lebensmittel- und Drogeriemärkten. "Arbeitszeit zu reduzieren, um Kinder zu Hause zu betreuen, ist in diesen schlecht bezahlten Berufen kaum möglich, denn dann reicht es finanziell vorn und hinten nicht", sagt Birgit Eckhardt. Friseurinnen, Verkäuferinnen oder Servicekräfte aus der Gastronomie, die in Kurzarbeit gehen mussten oder ganz ihren Job verloren, traf die Krise mit ganzer Härte. "Wir haben alle gesehen, wie wichtig, wie systemrelevant gerade diese sogenannten Frauenberufe sind. Nun müssen wir als Gesellschaft dafür sorgen, dass diese Berufe auch gut bezahlt werden."
Homeschooling, Kurzarbeit, Homeoffice, dazu fehlende Sozialkontakte und finanzielle Schwierigkeiten – das setzt Familien unter Stress. Es gibt kaum Ausweich- und Rückzugsmöglichkeiten, selbst der Kontakt zu anderen Verwandten ist eingeschränkt. Psychische Beschwerden haben in der Pandemie zugenommen – wie auch die Fälle von häuslicher Gewalt. Gleichzeitig ist auch der Zugang zum Hilfesystem erschwert, wenn der gewalttätige Lebenspartner permanent anwesend ist. "Glücklicherweise haben viele Anlaufstellen sehr schnell auf WhatsApp-Beratung umgestellt oder eigene anonyme Chat-Systeme eingerichtet", sagt Birgit Eckhardt.
"Diese Krise zeigt uns, wie weit wir noch von echter Gleichstellung zwischen den Geschlechtern entfernt sind. Ich erwarte auch von unserer neuen Sozialministerin Daniela Behrens, dass sie sich für eine aktive Gleichstellungspolitik einsetzt, für eine bessere Bezahlung sogenannter Frauenberufe und für eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie", sagt die Vorsitzende des Paritätischen. "Davon würden nicht nur Frauen profitieren, sondern auch die Männer. Die Gleichstellung von Frauen und Männern kommt der gesamten Gesellschaft zugute."