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PMS 11/18 v. 21.02.2018
Mit Sorge beobachtet der Paritätische Wohlfahrtsverband Niedersachsen e.V. (kurz Paritätischer Niedersachsen) die Tendenz in Bayern, unbegleitete minderjährige Flüchtlinge als Gruppe mit spezifischem, homogenem Bedarf umzudeuten. Der Bedarf dieser Gruppe soll demnach möglichst unaufwendig und kostengünstig gedeckt werden – unterhalb der Standards und Angebote der Hilfen zur Erziehung.
„Was hier versucht wird, nenne ich schlichtweg Kindeswohlgefährdung. Dabei besteht ganz klar ein Rechtsanspruch auf Hilfe zur Erziehung, da es sich bei unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen um Kinder oder Jugendliche handelt, für die eine ihrem Wohle entsprechende Erziehung nicht gewährleistet ist. Der Rechtsanspruch ihrer Vormünder umfasst die Gewährung pädagogischer und gegebenenfalls therapeutischer Leistungen, bei Bedarf umfasst er auch Ausbildungs- und Beschäftigungsmaßnahmen im Sinne der Jugendsozialarbeit. Das ist einheitlich im Bund gesetzlich geregelt, und das entspricht den Kriterien der UN-Kinderrechtskonvention. In Bayern wird nun versucht, für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge spezielle Bedarfe zu konstruieren und zu behaupten, diese wären nur in speziellen Einrichtungstypen zu befriedigen“, führt Birgit Eckhardt, Vorsitzende des Paritätischen Niedersachsen, aus. „Die Vorgehensweise lehnen wir als rechtswidrig und fachlich unvertretbar ab.“
Angebote des sogenannten Betreuten Jugendwohnens (Sozialpädagogisch begleitete Wohnformen nach § 13 Abs. 3 SGB VIII) sind aus fachlicher Sicht keine Regelleistung für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge. Vormünder Minderjähriger haben einen klaren Rechtsanspruch auf Hilfen zur Erziehung, dieser hat nichts mit Angeboten der Jugendsozialarbeit zu tun.
„Was außerdem sehr kritisch zu bewerten ist, ist die vielfache Verlegung junger Geflüchteter aufgrund der Erstunterbringung in sogenannten AnKER-Einrichtungen, so wie sie der Koalitionsvertrag der GroKo im Bund vorsieht“, führt Birgit Eckhardt weiter aus. In diesen Einrichtungen sollen die Jugendlichen zur „Identitäts- und Altersfeststellung“ untergebracht werden. Im Anschluss daran werden sie zunächst (vorläufig) in Obhut genommen, bis sie schließlich wirklich ankommen können und sich Fachkräfte dauerhaft qualifiziert um ihre Bedürfnisse und Perspektiven kümmern. „Wir verlieren das Wohl von Kindern und Jugendlichen, die in unsere Obhut geflüchtet sind, aus den Augen“, fasst Birgit Eckhardt die Lage zusammen. „Aus diesem Grunde lehnen wir als Paritätischer die geplante Altersfeststellung von Kindern und Jugendlichen in den AnKER-Einrichtungen strikt ab und fordern, dass hierbei weiterhin die Jugendämter zuständig bleiben.“