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PMS 21/19 v. 15.05.2019
„Die Inklusion in der Schule darf nicht scheitern“, sagt Birgit Eckhardt, Vorsitzende des Paritätischen Wohlfahrtsverbands Niedersachsen e.V. „In der jetzigen Form wird sie aber nicht akzeptiert, weder von den Eltern von Kindern mit Behinderung, noch von den übrigen Eltern. Das zeigt die Diskussion, die der Landeselternrat jetzt angestoßen hat, mehr als deutlich.“
Der Landeselternrat als vertretendes Gremium aller Eltern von schulpflichtigen Kindern hat gefordert, deutlich mehr Lehrkräfte mit sonderpädagogischer Ausbildung an den Regelschulen einzusetzen. Die jetzigen Stundenkontingente seien zu niedrig bemessen, außerdem würden Kinder mit Lern- und Sprachproblemen sowie Kinder mit emotional-sozialem Förderbedarf an den Grundschulen keine ausreichende Förderung erhalten. „Diese Kritik trifft voll und ganz zu“, sagt Birgit Eckhardt und forciert die Diskussion noch: „Derzeit ist die Inklusion in der Schule Flickwerk. Das Land will Kinder mit Einschränkungen an den Regelschulen unterrichten, ohne das Schulsystem an sich zu ändern, und die Lehrerinnen und Lehrer sind, aufgrund ihrer Ausbildung, schon jetzt oft mit der Situation überfordert. Das wird auf Dauer nicht funktionieren. Schule muss von Anfang an inklusiv gedacht werden, nur dann kann echte Teilhabe für alle Kinder gelingen.“
Zu einem inklusiven Schulsystem gehören zum Beispiel feste interdisziplinäre Teams aus (Fach-)Lehrkräften, sonderpädagogischem Personal und weiteren Betreuungskräften. Die brauchen auch ausreichend Zeit, um gemeinsam Unterricht vor- und nachzubereiten. Kinder mit emotional-sozialem Förderbedarf benötigen einen Anspruch auf sonderpädagogische Unterstützung. Angehende Fachlehrkräfte müssen im Studium mehr didaktisches Handwerkszeug vermittelt bekommen. Kindergarten und Schule müssen verstärkt als ein gemeinsames System begriffen werden, denn gerade Kinder mit emotional-sozialen Einschränkungen und mit Sprachproblemen müssten bereits im Kleinkindalter besser betreut werden. Perspektivisch, gerade mit Blick über die Landesgrenzen hinaus, ist auch das dreigliedrige Schulsystem auf den Prüfstand zu stellen. „Eine Schule für alle Kinder, mit optimalen Unterrichtsbedingungen – das klingt wie ein Wunschtraum, aber in anderen Staaten ist man da schon ziemlich nah dran“, sagt Birgit Eckhardt. „Warum sollte uns das in Deutschland, in Niedersachsen nicht auch gelingen.“
Denn, ganz klar: Jedes Kind hat die gleichen Chancen, hat echte Teilhabe an Bildung verdient. Dies entspricht dem ganzheitlichen Verständnis von Inklusion des Paritätischen Niedersachsen. „Eine inklusive Gesellschaft bietet allen Menschen Wahlmöglichkeiten in Bezug auf Zugang und Teilhabe sowie angemessene Rahmenbedingungen“, gehört unter anderem zu den Kernforderungen des Verbands. „So, wie das System jetzt ist, verwehren wir vielen Kindern diese Chance, und wieder andere sortieren wir unnötig früh aus“, sagt Birgit Eckhardt. „Deshalb darf die Inklusion, wie sie derzeit abläuft, nur ein Übergangsmodell sein. Wir brauchen nicht weniger als eine Revolution unseres Bildungssystems.“