Kerstin Tack
Vorstandsvorsitzende des Paritätischen Wohlfahrtsverbands Niedersachsen e.V.
Diese Fachtagung beleuchtet den aktuellen Stand der kindgerechten Justiz in Deutschland. Was muss verändert werden, um das Kindeswohl während gerichtlicher Verfahren zu wahren? Es wird ein Best Practice im Umgang mit Kindern- und Jugendlichen, welche sexualisierte oder körperliche Gewalt erlebt haben, vorgestellt und Input aus der Praxis der psychosozialen Prozessbegleitung gegeben. Ein weiterer Fokus liegt auf dem Thema Umgangsrecht bei Partnerschaftsgewalt.
Die Fachtagung richtet sich an Fachpersonal aus der Kinder- und Jugendhillfe, Gewaltschutzeinrichtungen, KiTas, Beratungsstellen sowie der Justiz und Politik und der Erziehungs- und Straffälligenhilfe.
10:00 Uhr Begrüßung und Einführung in die Thematik
Kerstin Tack (Vorstand Paritätischer Wohlfahrtsverband Niedersachsen e.V.)
10:10 Uhr "Kindgerechte Justiz: Wo stehen wir? Ein Überblick"
Prof. Beate Naake (Professorin für Recht an der Ev. Hochschule Dresden)
In dem Vortrag werden einzelne Bereiche der Justiz beleuchtet, in denen Kinder in gerichtlichen Verfahren Akteure sind, als Kind in einem Umgangsstreit oder als Zeuge/Zeugin in einem Strafverfahren. In den Vorschriften zu familiengerichtlichen und strafgerichtlichen Verfahren finden sich gesetzliche Regelungen, die Kinder, die mit Gerichten in Kontakt kommen, besonders schützen sollen. Diese Vorschriften und deren praktische Umsetzung zeigt der Vortrag auf und thematisiert, wo weiterhin Handlungsbedarf besteht.
11:10 Uhr „Nicht allein durchs Strafverfahren – Psychosoziale Prozessbegleitung für Kinder und Jugendliche"
Andrea Behrmann (zertifizierte Prozessbegleiterin, Sozialwissenschaftlerin, Sozialpädagogin, Psychotherapeutin bei Violetta e.V.)
Seit dem 1. Januar 2017 haben besonders schutzbedürftige Verletzte, insbesondere Kinder und Jugendliche, einen Rechtsanspruch auf kostenfreie Begleitung im Strafverfahren (§406g StPO). Vielen Fachkräften ist dieses neue Opferschutzinstrument noch nicht bekannt. Der Vortrag soll einen Einblick in die Praxis der Psychosozialen Prozessbegleitung geben, die Entlastungsmöglichkeiten für die kindlichen Zeug*innen aufzeigen, sowie über die Abläufe und Möglichkeiten informieren.
12:15 Uhr Mittagspause
13:00 Uhr "Best Practice: Childhood-Haus – Ein sicherer Ort während einer unsicheren Zeit"
Dr. Astrid Helling-Bakki (Geschäftsführung und Vorstand Childhood-Haus)
Das Childhood-Haus ist eine kinderfreundliche, multidisziplinäre und behördenübergreifende ambulante Anlaufstelle für Kinder und Jugendliche, die Opfer oder Zeug*innen von sexualisierter und/oder körperlicher Gewalt geworden sind. Im Verdachts- oder erklärten Fall von Gewalt gegen ein Kind oder Jugendlichen werden diese im Childhood-Haus in kinderfreundlicher Atmosphäre durch den gesamten Verlauf aus Untersuchungen und Befragungen begleitet und gestärkt. Im Vortrag wird auf die internationalen Grundlagen und bisherige Entwicklung des Childhood-Haus Konzeptes in Deutschland eingegangen. Besonderes Augenmerk soll dabei auf das Spannungsfeld zwischen dem Potenzial multidisziplinärer intersektoraler Angebote und den Herausforderungen der Anpassung auf das deutsche System gelegt werden.
14:00 Uhr "Häusliche Gewalt und Umgangsrecht"
Dr. Christine Böttger (Mitbegründerin von Fam-Ki – Institut für Familienrecht und Kindeswohl)
In der Regel entspricht es dem Kindeswohl, wenn Kinder auch nach der Trennung Kontakt zu beiden Elternteilen haben und wenn die Eltern möglichst einvernehmlich kooperieren. Fraglich ist, inwieweit dies gleichermaßen bei Fällen von Partnerschaftsgewalt gilt bzw. überhaupt möglich ist oder ob hier gar ein besonderer Schutz notwendig ist. Denn auch nach der Trennung der Eltern kann der Umgang zwischen beiden Parteien ein erhebliches Gefahrenpotential beinhalten. Zum Beispiel dann, wenn dort Umgang installiert wird, wo eigentlich Schutz angebracht wäre, weil fälschlicherweise angenommen wird, dass Gewalt automatisch mit der Beziehung endet. Was meint Kindeswohl im Kontext von Umgangsrecht und Partnerschaftsgewalt? Zu welchen Fehleinschätzungen kann es kommen? In dem Vortrag sollen sowohl Schutzlücken herausgestellt als auch systemimmanente Lösungsvorschläge skizziert werden.
Workshops:
15:00 Uhr Dr. Christine Böttger: "Mütter und Kinder stärken – Was können Fachkräfte tun?"
Der Workshop richtet sich an Fachkräfte, die Mütter beraten, die Häusliche Gewalt erlebt haben und Umgangsregelungen - möglicherweise vor einem Familiengericht - aushandeln müssen. Oft fühlen sich Mütter dabei sehr hilflos. Und die Fachkräfte ebenfalls. Was ist das Beste für das Kind und welche Möglichkeiten bieten sich, dies zu erreichen? Nicht selten wird die erlebte Gewalt an Familiengerichten nicht hinreichend berücksichtigt oder es werden schlimmstenfalls Regelungen getroffen, die Kinder oder Mütter (erneut) gefährden. Soweit darf es nicht kommen. In dem Workshop wollen wir gemeinsam überlegen, wie wir Mütter stärken können und was wir tun können, um Kinder zu schützen. Es dürfen auch eigene Fallbeispiele aus der Praxis mitgebracht werden.
16:00 Uhr Dr. Helling-Bakki: „Childhood-Haus“
Gemeinsam soll in interaktiven Kleingruppen im Workshop erarbeitet werden, was Ziele und praktische Herausforderungen in der multidisziplinären Zusammenarbeit sind und dabei die Perspektive des Kindes reflektiert werden.
Vorstandsvorsitzende des Paritätischen Wohlfahrtsverbands Niedersachsen e.V.
Referentin Frauen und Familie beim Paritätischen Wohlfahrtsverband Niedersachsen e.V.
Ev. Hochschule Dresden, Bundesvorstand Kinderschutzbund e.V.
Professorin für Recht, Evangelische Hochschule Dresden. Die Referentin lehrt in den Bereichen Familien- und Sozialrecht und ist ehrenamtlich im Bundesvorstand des Kinderschutzbundes e.V. tätig und über diese Funktion in den Nationalen Rat gegen sexuelle Gewalt an Kindern und Jugendlichen berufen und dort zum Schwerpunktthema „Kindgerechte Justiz“ tätig.
Universität Bremen, Fam-Ki (Institut für Familienrecht und Kindeswohl)
Dr. Christine Böttger forscht interdisziplinär zum Thema Kindeswohl. Als Mitarbeiterin in der Forschungsgruppe Kindeswohl an der Universität Bremen beschäftigte sie sich in einer empirischen bundesweiten Studie im Auftrag des Bundesministeriums für Familie mit dem Thema „Partnerschaftsgewalt und Umgangsrecht“. Sie ist zudem tätig als Verfahrensbeiständin und Dozentin, sowie Mitbegründerin von Fam-Ki – Institut für Familienrecht und Kindeswohl.
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