Aus dem Jahr 2022
Auszug aus dem Bundestags-Newsletter Nr. 508 vom 06.05.2019 zur Betreuungsvergütung
Sehr geehrte Mitglieder des Arbeitskreis Betreuungsvereine,
anliegend erhalten Sie zur Kenntnisnahme einen Auszug aus dem Bundestags-Newsletter Nr. 508 vom 06. Mai 2019 zur Betreuervergütung.
Mit freundlichen Grüßen
i.A. Christiane Schumacher
Referat Recht
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01. Experten für höhere Betreuervergütung
Recht und Verbraucherschutz/Anhörung
Berlin: (hib/mwo) Trotz Kritik an einzelnen Aspekten des
Regierungsentwurfs für ein Gesetz zur Anpassung der Betreuer- und
Vormündervergütung (19/8694) begrüßen die Betreuerverbände die darin
vorgesehene Erhöhung. In einer öffentlichen Anhörung des Ausschusses
für Recht und Verbraucherschutz am Montag betonten die als
Sachverständige geladenen Verbändevertreter in ihren Stellungnahmen,
die Anpassung sei angesichts der Schließung von Betreuungsvereinen
und Betreuungsbüros kurzfristig dringend erforderlich, könne aber nur
ein erster Schritt sein.
Änderungswünsche, die der Bundesrat in seiner Stellungnahme zum
Gesetzentwurf (19/9765) geäußert hatte, lehnten die Sachverständigen
wie schon zuvor die Bundesregierung ab. Die Fragen der Abgeordneten
in der vom Ausschussvorsitzenden Stephan Brandner (AfD) geleiteten
Sitzung 46. Sitzung des Gremiums betrafen vor allem die
Arbeitsbedingungen der Betreuer und mögliche Verbesserungen, die
Auswirkungen der in dem Entwurf vorgesehenen Regelungen sowie das im
Gesetzgebungsprozess zutage getretene Spannungsfeld zwischen
Bundesregierung und Bundesrat.
Eine detaillierte Beschreibung des Berufsalltags von Berufsbetreuern
gab Hülya Özkan aus Bielefeld, die nach eigenen Angaben 43 Klienten
im Alter zwischen 19 und 106 Jahren vertritt, die aus den
unterschiedlichsten Gründen eine rechtliche Betreuung benötigen. Sie
werde als Berufsbetreuerin bestellt, wenn alle anderen Hilfesysteme
versagt hätten. Özkan verwies auf die Studie "Qualität in der
rechtlichen Betreuung" des Instituts für Sozialforschung und
Gesellschaftspolitik (ISG), wonach Berufsbetreuer jetzt schon 20
Prozent unbezahlte Mehrarbeit leisten. Die Studie zeige auch, dass
Berufsbetreuer 24 Prozent mehr Zeit und 25 Prozent mehr Vergütung
bekommen müssten, um das bezahlt bekommen was sie tatsächlich
leisten.
Thorsten Becker, Vorsitzender des Bundesverbands der
Berufsbetreuer/innen (BdB), der die Interessen von über 7.000
selbständigen oder als Angestellte in Betreuungsvereinen beruflich
tätigen Betreuern vertritt, begrüßte, dass der Gesetzgeber nach
nunmehr 14 Jahren die Initiative zu einer Erhöhung der
Betreuervergütung ergriffen und dies in der laufenden Diskussion zum
Reformprozess vorgezogen habe. Jedoch falle die Anhebung im Ergebnis
enttäuschend gering und damit wenig wertschätzend aus. Wegen der vor
allem von einigen Bundesländern vorgebrachten Maßgabe "so oder gar
nicht" habe sich der BdB entschlossen, den Gesetzentwurf trotz der
bestehenden Kritik zu akzeptieren.
Barbara Dannhäuser vom Katholischen Verband für soziale Dienste in
Deutschland (SKM) erklärte, die Caritas und ihre Fachverbände
begrüßten grundsätzlich die Zielsetzung des Gesetzentwurfes, die
Regelungen seien aber nicht weitreichend genug. Um eine schnelle und
längst überfällige Erhöhung der Betreuer- und Vormündervergütung
nicht zu verhindern, stimmten die Caritas-Verbände dem Entwurf zu.
Dem schloss sich Karina Schulze vom Paritätischen Gesamtverband an,
der rund 160 Betreuungsvereine vertritt. Sie sprach von einer
Übergangslösung. Ähnlich argumentierte Lydia Hajasch von der
Bundesvereinigung Lebenshilfe. Der Refinanzierungsbedarf der
Betreuungsvereine werde durch die vorgeschlagenen Regelungen nicht
hinreichend gedeckt. Die Grundannahme, dass der Betreuungsaufwand mit
fortlaufender Dauer sinke, sei nicht auf alle Betreuungsfälle,
insbesondere auf die der Menschen mit geistiger Behinderung,
übertragbar.
Dannhäuser ergänzte, mit Sorge würden die aktuellen Versuche der
Länder beobachtet, weitere Kosteneinsparungen zu Lasten der Vereine
zu fordern. Wie andere Sachverständige auch bewertete sie die
angepeilte Erhöhung um durchschnittlich 17 Prozent angesichts von
Personalkostenzuwächsen von mindestens 25 Prozent als zu niedrig.
Zudem bemängelte Dannhäuser wie auch andere Experten, dass der
Entwurf nicht die seit langem geforderte Dynamisierungsregelung
sondern lediglich eine Evaluierung nach vier Jahren enthalte. Das sei
viel zu spät, zumal mit tatsächlichen Anpassungen frühestens nach
weiteren zwei bis drei Jahren gerechnet werden könne.
Walter Klitschka, 1. Vorsitzender des Bundesverbands freier
Berufsbetreuer (BVfB), warnte vor einem Aussterben des Berufs, sollte
es keine Existenzsicherung für Berufsbetreuer geben. An die Adresse
des Bundesrates sagte er, an der Anpassung der Vergütung zum 1. Juli
2019 führe kein Weg vorbei. Die Länder wüssten seit mindestens 2017,
dass eine Erhöhung der Ausgaben für Betreuung in der jetzt
vorliegenden Größenordnung auf sie zukommt. Das Argument des
Bundesrats zu einer Verschiebung auf 2020 aus haushaltstechnischen
Gründen sei daher nicht stichhaltig. Für fragwürdig halte der Verband
auch die vom Bundesrat vorgeschlagene Evaluierung erst nach fünf
Jahren.
Peter Winterstein, 1. Vorsitzender des Betreuungsgerichtstags (BGT),
bezeichnete die Erhöhung der Betreuervergütung als überfällig. Am
Vergütungssystem seien jedoch noch weitere Änderungen erforderlich.
Zu den Vorschlägen des Bundesrates sagte Winterstein, eine
Verlängerung des Evaluationszeitraums dürfe es auf keinen Fall geben,
da eine neuerliche Verzögerung von weiteren notwendigen
Vergütungsanpassungen die Existenz von Betreuungsvereinen grundlegend
gefährde.
Sehr detailliert setzte sich der Familienrechtler Tobias Fröschle von
der Universität Siegen mit dem Entwurf auseinander. Ein Vorteil sei,
dass eine schwer durchschaubare Berechnungsregelung durch ein
einfacher zu handhabendes System ersetzt werde. Viele Zweifelsfragen
blieben jedoch bestehen. Änderungen würden hier aber einer
umfassenden Neuregelung vorgreifen. Entgegen der Stellungnahme des
Bundesrates könne die Anpassung der Betreuervergütung keineswegs
warten, bis dieser Prozess abgeschlossen ist. Das würde die Gefahr
der Schließung weiterer Betreuungsvereine heraufbeschwören. Bezüglich
einer Evaluation teile er jedoch die Bedenken des Bundesrates.
Wirksame Regeln und Strukturen zum Schutz vor Korruption bei
rechtlicher Betreuung forderte Adelheid von Stösser von Transparency
International Deutschland. Die Diskussion lasse bisher nicht
erkennen, dass die Gefahr der Korruption berücksichtigt wird. Im
Vordergrund stünden vielmehr Eigeninteressen der gewerbsmäßigen
Akteure. Die Vergütungen duften erst steigen, wenn auch die
Sicherheit verbessert werde, sagte von Stösser. Transparency
International fordere bundesweit geltende Sicherheitsstandards. Nötig
sei auch eine Begrenzung der Anzahl von Betreuungen pro Betreuer.
In dem Gesetzentwurf ist ausgehend vom Koalitionsvertrag eine
Erhöhung der Vergütung um 17 Prozent in einem modernisierten System
von Fallpauschalen vorgesehen. Mit den vorgeschlagenen Änderungen
soll der Vorlage zufolge eine rechtstechnisch einfach und schnell
umsetzbare, Qualitätsaspekte berücksichtigende und angemessene
Anpassung der seit mehr als 13 Jahren unveränderten Vergütung
beruflicher Betreuer erfolgen, die insbesondere auch geeignet ist,
eine existenzsichernde Finanzierung der Betreuungsvereine
sicherzustellen. In ihrer Gegenäußerung zur kritischen Stellungnahme
des Bundesrates zum Gesetzentwurf verteidigt die Bundesregierung ihre
Vorlage und lehnt die Änderungsvorschläge der Länderkammer abgelehnt.
Der Bundesrat weist in seiner Stellungnahme unter anderem darauf hin,
dass der Gesetzentwurf für die Länder eine jährliche Mehrbelastung
von rund 157 Millionen Euro vorsieht. Er hält es für unerlässlich,
diese Mehrbelastung über einen höheren Anteil der Länder am
Umsatzsteueraufkommen auszugleichen. Änderungsvorschläge betreffen
auch die Evaluierung des Gesetzes und dessen Inkrafttreten. In der
Gegenäußerung der Regierung heißt es unter anderem, die Finanzierung
der Betreuer- und Vormündervergütung sei bei Mittellosigkeit der
betroffenen Person Aufgabe der Länder. Auch gebe es aus Bundessicht
keine Notwendigkeit zur Anpassung der Umsatzsteuerverteilung
zugunsten der Länder.
Deutscher Bundestag
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