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Presseartikel

Aus dem Jahr 2022

Keine Angst vor Bus und Bordstein

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Erstes Rollator-Sicherheitstraining in Hameln soll die Unfallzahlen senken

 

Hameln (ww). Es gibt ihn in jeder erdenklichen Farbe, aus witterungsbeständigem Leichtmetall sowie aus Holz für enge und verwinkelte Innenräume, es gibt Modelle mit Spiegel, Klingel, Hupe oder Scheinwerfer – und neuerdings kann er sogar mit einem Navigationsgerät ausgestattet werden: Kaum ein Gerät verkörpert den demografischen Wandel so sehr wie der Rollator.

 

Menschen mit Gehbehinderung schenkt er die Freiheit, ohne fremde Hilfe am gesellschaftlichen Leben teilnehmen zu können. Damit der Segen dieser neu gewonnenen Unabhängigkeit gerade für ältere Menschen nicht zum Fluch wird, veranstalteten das Seniorenservicebüro Hameln-Pyrmont und die Freiwilligenagentur des Paritätischen im Eugen-Reintjes-Haus das erste Sicherheitstraining für den Umgang mit dem Rollator.

 

„Für Groß, Klein und Wieder-Kleiner-Werdend“ bietet der Verkehrssicherheitsberater der Polizeiinspektion Hameln-Pyrmont,Andreas Hinz, bereits seit Jahren Sicherheitstrainings an. Im Innenhof des Familienzentrums baut er am Mittwoch einen kleinen Hindernis-Parcours auf, typische Alltagstücken möchte er simulieren, nicht nur die Gefahrensituationen im Straßenverkehr. „Grundlegend ist erst einmal die richtige Einstellung der Griffhöhe und der Bremsen“, sagt der Hauptkommissar, „zudem sollte der Rollator nicht als Einkaufswagen zweckentfremdet werden, darunter leidet die Statik“.

 

Einer der 22 Teilnehmer, ein älterer Herr, versucht gerade eine gut fünfzehn Zentimeter hohe Rampe zu überqueren, es könnte genauso gut eine Bordsteinkante sein, der größte Feind eines jeden „Rollator-Neulings“. Die Gehhilfe des Seniors hat Hinz zuvor mit einem gut fünf Kilogramm schweren „Dummy“ beladen, „stellen Sie sich vor, Sie haben gerade in der Schlachterei zugeschlagen“. Der Senior gerät prompt ins Straucheln. „Immer mit der Ruhe“, leitet Hinz an, „Gewicht auf die Griffe stützen – und bitte niemals rückwärts laufen!“

 

Eine Rentnerin, elegant gekleidet und auch sonst noch recht fit, ist erst seit wenigen Monaten auf ihren Rollator angewiesen, mit zunehmendem Alter hatte sie immer größere Probleme mit dem aufrechten Stehen, obwohl sie ansonsten „noch Dauerlauf machen könnte“. Nach der anfänglichen Scham, die Gehhilfe auf der Straße zu benutzen, kam sie mit dem Gerät eigentlich gut zurecht, bisher auch völlig unfallfrei. „Vor Kurzem habe ich allerdings miterlebt, wie jemand mit seinem Rollator kopfüber aus dem Bus stolperte“, berichtet die Rentnerin, „seitdem habe ich schon Angst, dass mir das auch passieren könnte.“

 

 

 

 

 

Durch Fehler wie diesen seien ältere Menschen in den Unfallstatistiken der vergangenen Jahre zunehmend in den Fokus gerückt, viele fühlten sich im Umgang mit ihrer Gehhilfe auf vier Rädern schlecht beraten, allein gelassen und gerade nach kleineren oder größeren Unfällen noch unsicherer als vorher.

 

„Im Gegensatz zum Auto oder Fahrrad gibt es für den Umgang mit dem Rollator kaum Anleitung, auch Pflegepersonal und Sanitätshäuser können nur unzureichend Abhilfe schaffen“, erklärt der 55-jährige Polizist. Auch deshalb ist das neue Rollator-Training für ihn eine Herzensangelegenheit.Mit viel Humor und Einfühlungsvermögen nimmt Hinz sich den Ängsten und Problemen der anwesenden Senioren an. Was, wenn die Grünphase der Ampel zu kurz ist, um sie zu überqueren? „Gehen Sie in aller Ruhe weiter“, rät Hinz, „kein Autofahrer ist so eiskalt, Sie einfach über den Haufen zu fahren.“ Wie verhalte ich mich bei Dämmerung und Dunkelheit? „Sie müssen ihn ja nicht wie die Kindergartenkinder an der Kapuze baumeln lassen, aber ein Reflektor hilft.“

 

Und wie meistere ich den Ein- und Ausstieg in den Bus unfallfrei? Das wird Hauptkommissar Hinz mit den Teilnehmern am kommenden Mittwoch direkt am Objekt üben können: Die Öffis Hameln stellen einen Nachmittag lang einen ihrer Busse zur Verfügung, auf dem KVG-Betriebsgelände sowie an einer wenig befahrenen Bushaltestelle in Afferde werden die häufigsten Situationen nachgestellt, wird geübt und Hilfe zur Selbsthilfe geleistet.

 

In Kindergärten und an Schulen trägt Hinz bereits seit vielen Jahren zur Verkehrssicherheit in Hameln-Pyrmont bei, und auch das Rollator-Sicherheitstraining soll sich in Zukunft zu einer regelmäßigen Veranstaltung etablieren, sagt Nicole Scheumann vom Seniorenservicebüro. Denn im Grunde sei es wie beim Autofahren: Egal, ob man mit dem Kassenmodell oder dem „Mercedes unter den Rollatoren“ unterwegs ist – jedes Gerät ist nur so sicher wie der Mensch, der es bedient.

 

(Artikel Dewezet 13.07.2012 Seite 12)