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Presseartikel

PMS 07/20 v. 14.04.2020

| Aktuelles

Häuslicher Gewalt entgegenwirken – mit Schutzausrüstung, Werbung für Hilfsangebote und Aufmerksamkeit

„Erste Zahlen erhärten den Verdacht, dass häusliche Gewalt in den vergangenen Tagen und Wochen zugenommen hat – und als bedauerliche Folge der Anti-Corona-Maßnahmen weiter zunehmen wird“, sagt Birgit Eckhardt, Vorsitzende des Paritätischen Wohlfahrtsverbands Niedersachsen e.V. „Wichtig ist in dieser Situation, dass die Jugendämter und die Beratungsstellen weiterhin in der Lage bleiben, Betroffene bestmöglich unterstützen zu können.“ Dazu zählt nach Ansicht des Paritätischen unter anderem die Ausstattung mit Schutzkleidung, damit auch die Aufsuchende Hilfe weiterhin möglich ist. „Wenn Schutzmasken und Handschuhe fehlen, sind Hausbesuche aufgrund der geltenden Bestimmungen nur noch schwer möglich. Das gilt es zu vermeiden.“

Zu wenig Schutzkleidung und Desinfektionsmittel gibt es zum Beispiel bereits in Frauenhäusern. Dort fällt es schwer, Kontakte zwischen den Bewohnerinnen zu vermeiden – die Frauen benutzen in der Regel Gemeinschaftsküchen und -bäder, ihre Kinder spielen miteinander. „Eine Möglichkeit wäre, Hotels, Schullandheime oder Kureinrichtungen zu nutzen, die ohnehin gerade leer stehen, um dort vorübergehend zusätzliche Schutzräume für Frauen vorhalten zu können“, sagt Birgit Eckhardt. „So könnte man auch den Hygieneregeln Rechnung tragen und müsste keine hilfesuchenden Frauen womöglich aus Infektionsschutzgründen abweisen.“ Das könnte auch betroffenen Frauen in Quarantänefällen helfen. „Gerade in einer Zeit, in der eine Zunahme häuslicher Gewalt prognostiziert wird, dürfen wir mit solchen Maßnahmen nicht warten, bis das erste Frauenhaus wegen einer Infektionslage geschlossen werden muss.“ Die ersten Kommunen haben dankenswerterweise bereits auf den befürchteten Anstieg der Fallzahlen reagiert. Hannover hat zum Beispiel 23 neue Plätze für schutzbedürftige Frauen eingerichtet.

Von örtlichen Polizeidienststellen über Jugendämter bis zu Landes- und Bundesministerien besteht inzwischen Einigkeit: Die soziale Isolation durch die Anti-Corona-Maßnahmen erschwert es von häuslicher Gewalt betroffenen Frauen, Jugendlichen und Kindern, Kontakt zu Beratungsstellen aufzunehmen. „Es gibt ja kaum Gelegenheit, ein entsprechendes Telefonat zu führen, ohne dass der gewalttätige Partner oder die Eltern mithören“, sagt Birgit Eckhardt. „Auch das Rausgehen ist erschwert, und die meisten Beratungsstellen sind zwar telefonisch erreichbar, aber man kann nicht einfach so hingehen.“ Kindern und Jugendlichen fehlen außerdem die Vertrauenspersonen, die sie sonst im Jugendzentrum, in der Schule oder beim Training im Sportverein treffen. „Kinder, die zu Hause unter physischer oder psychischer Gewalt leiden, laufen nicht einfach zum Nachbarn oder rufen die Polizei“, sagt die Vorsitzende des Paritätischen. „Sie brauchen Vertrauen, um sich zu öffnen. Und wenn die Personen, denen sie vertrauen, nicht zur Verfügung stehen, leiden sie still vor sich hin. Ich will mir gar nicht ausmalen, was manche Kinder derzeit durchmachen.“

„Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Jugendämter und Hilfsorganisationen leisten auch in dieser schwierigen Situation hervorragende Arbeit. Sie beraten am Telefon und an der Wohnungstür, müssen aber auch die Möglichkeit haben, Familien in ihrer Wohnung zu besuchen. Und Betroffene müssen darüber informiert sein, wie und wo sie Hilfe bekommen können – auch ohne zu telefonieren“, sagt Birgit Eckhardt. Das Hilfetelefon für von Gewalt betroffene Frauen bietet genauso wie die Nummer gegen Kummer auch Online-Chats an. Auch viele örtliche Beratungsstellen sind über das Internet oder über Messenger-Dienste erreichbar. „Das wissen aber viele nicht. Werbung im Fernsehen und vor allem im Internet könnte viele hilfebedürftige Personen erreichen.“

„Wichtig ist, dass wir alle wachsam sind und aufeinander achten“, sagt die Vorsitzende des Paritätischen. „Im Notfall gilt ohnehin: 110 wählen! Das kann auch eine Nachbarin oder ein Nachbar machen, wenn die Sorge besteht, dass es zu Übergriffen kommt. Mit Denunziantentum hat das nichts zu tun. Es geht darum, die Schwächsten unserer Gesellschaft zu schützen.“

Hier gibt es Hilfe:

Hilfe für Frauen

Hilfetelefon „Gewalt gegen Frauen“
08000 116 016

Hilfetelefon „Schwangere in Not“
0800 4040 020

Beratungsangebote und Frauenhäuser in Niedersachsen
https://www.ms.niedersachsen.de/startseite/frauen_gleichstellung/beratungs_und_serviceangebote/


Hilfe für Kinder und Jugendliche

Nummer gegen Kummer
116 111
www.nummergegenkummer.de

Weitere Hilfsangebote für Kinder und Jugendliche unter www.kinderschutz-niedersachsen.de


Sonstige Hilfsangebote

Telefonseelsorge
0800 111 0 111 und 0800 111 0 222

Elterntelefon
0800 111 0550