Aus dem Jahr 2022
PMS 26/19 v. 07.06.2019
Ein erster Schritt – nicht mehr, nicht weniger: Bundestag und Bundesrat haben beschlossen, die Vergütung von gesetzlich bestellten Betreuerinnen und Betreuern zu erhöhen. „Das ist die erste Erhöhung seit dem Jahr 2005, darüber freuen wir uns natürlich sehr“, sagt Birgit Eckhardt, Vorsitzende des Paritätischen Wohlfahrtsverbands Niedersachsen e.V. „Wenn die gesetzliche Betreuung aber wirklich den Standards der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) genügen soll, muss die Politik zügig nachlegen.“
Eine angemessene Vergütung der Berufsbetreuerinnen und Berufsbetreuer ist unerlässlich, um diese Tätigkeit attraktiv zu halten und eine qualitativ gute Betreuung sicherzustellen. Die Bundesministerien für Justiz und für Verbraucherschutz müssen nun den Diskussionsprozess über die Weiterentwicklung der Rechtlichen Betreuung fortführen und die Betreuungsvereine daran ausreichend beteiligen. „Am Ende muss es zu einer Gesetzesreform kommen, die eine Qualität in der Betreuung möglich macht, wie sie die UN-BRK vorsieht.“ Die Bundesrepublik Deutschland hat die UN-BRK schließlich ratifiziert, und dort ist formuliert, wie die Rechtliche Betreuung von Menschen mit Beeinträchtigungen aussehen soll. Ein Ziel: mehr Selbstbestimmung für die Betroffenen. Das heißt, dass die sogenannten Ersetzenden Entscheidungen, die der/die Betreuer/-in stellvertretend für die betreute Person trifft, deutlich reduziert werden sollen. Stattdessen soll die Unterstützte Entscheidungsfindung im Vordergrund stehen. „Das gehört für uns zu echter Teilhabe unbedingt dazu“, sagt Birgit Eckhardt. „Aber ein Gesetz muss dann auch berücksichtigen, dass der Betreuungsaufwand sich dadurch erhöht.“
Die jetzt beschlossene Erhöhung darf also nur eine Übergangsregelung sein. Die Fallpauschalen müssen dem tatsächlichen Betreuungsaufwand künftig besser angepasst werden – das haben Bundestag und Bundesrat jetzt noch nicht beschlossen. Auch die Auswirkungen des Bundesteilhabegesetzes müssen künftig noch besser berücksichtig werden. Die verstärkte Personenzentrierung in der Eingliederungshilfe erhöht den Betreuungsaufwand. Starre Zeitvorgaben für die gesetzliche Betreuung widersprechen der individualisierten Betreuung außerdem. „Das pauschale Vergütungssystem muss noch mehr geöffnet werden hin zu einer angemessenen Vergütung im Einzelfall“, sagt Birgit Eckhardt. „Der Verwaltungsaufwand muss sich natürlich in Grenzen halten, das sehen wir auch. Um da einen guten Kompromiss zwischen angemessener Bezahlung und möglichst wenig Bürokratie zu finden, ist eine breite Beteiligung im Reformprozess notwendig.“
Der jetzt beschlossene Gesetzentwurf sieht auch nach wie vor keine Dynamisierung vor. Heißt: Noch vor der geplanten Evaluierung (Stichtag 31.12.2024) dürften die Betreuungsvereine wieder vor wirtschaftliche Herausforderungen gestellt werden, weil nämlich die Tarifentwicklung kontinuierlich fortschreitet. Außerdem sind die vorgesehenen Verwaltungskostenzuschüsse für die Betreuungsvereine. „Da droht schon jetzt wieder eine prekäre Schieflage“, sagt Birgit Eckhardt. „Die Betreuungsvereine garantieren einen guten Qualitätsstandard bei der rechtlichen Betreuung. Dazu gehören Teamsitzungen, Fortbildungen und Supervision. Auch diese Arbeit muss ausreichend gegenfinanziert werden.“ Der Paritätische Wohlfahrtsverband Niedersachsen e.V. zählt derzeit elf Betreuungsvereine zu seinen Mitgliedsorganisationen.