PMS 33/19 v. 27.08.2019
„Das System der Kinder- und Jugendhilfe muss allen Kindern, Jugendlichen, jungen Erwachsenen und ihren Familien offenstehen“, sagt Birgit Eckhardt, Vorsitzende des Paritätischen Wohlfahrtsverbands Niedersachsen e.V. „Aber noch immer werden junge Menschen mit körperlichen oder geistigen Beeinträchtigungen aus dem Kinder- und Jugendhilferecht ausgeschlossen. Das muss aufhören. Deshalb unterstützen wir den Vorstoß für die längst überfällige inklusive Sozialgesetzgebung.“ Heute hat in Berlin ein breites Bündnis aus Sozialverbänden und einigen Landesregierungen – unter anderem der niedersächsischen – den Appell „Exklusion beenden: Kinder- und Jugendhilfe für alle jungen Menschen und ihre Familien!“ vorgestellt. Der Paritätische Wohlfahrtsverband Niedersachsen e.V. ist Teil des Bündnisses.
Seit zehn Jahren gilt die UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) auch in Deutschland. Sie sieht eine weitgehend inklusive Gesellschaft als Kernziel vor. „Die künstliche Unterscheidung in „Jugendhilfe-Kinder“ und „Eingliederungshilfe-Kinder“ haben wir schon lange vor Inkrafttreten der UN-BRK kritisiert. Dass es diese Trennung immer noch gibt, ist schlicht nicht akzeptabel“, sagt Birgit Eckhardt. Kinder und Jugendliche ohne Beeinträchtigungen sowie solche mit einer seelischen Behinderung fallen in das Hilfesystem des SGB VIII, die klassische Kinder- und Jugendhilfe. Junge Menschen mit körperlichen und/oder geistigen Beeinträchtigungen dagegen werden dem SGB XII zugeordnet, das ist die sogenannte Eingliederungshilfe. Die beiden Hilfesysteme sind sehr unterschiedlich ausgerichtet und bieten Familien ganz unterschiedliche Hilfestellung. In der Eingliederungshilfe fehlt allerdings oft der Blick auf die Gesamtfamilie, wie er der Kinder- und Jugendhilfe inhärent ist. In der Praxis reiben sich Familien oft zwischen den beiden Systemen auf, weil Zuständigkeiten nicht immer klar definiert sind.
Zuletzt hatte die damalige Bundesregierung eine Reform angestoßen, als das Bundesteilhabegesetz (BTHG) 2016 beschlossen wurde. „Seitdem ist der fachliche Diskurs so weit gediehen, dass ein Gesetzentwurf der nächste logische Schritt wäre“, sagt Birgit Eckhardt. „Wir freuen uns, dass auch die niedersächsische Landesregierung den jetzigen Appell unterstützt. Das zeigt, dass auch die Politik ein inklusives Kinder- und Jugendhilferecht wünscht. Die Bundesregierung muss diese Forderungen nun endlich aufnehmen und umsetzen. Im Sinne aller Kinder und Jugendlichen. Dies erwarten wir als ein zentrales Ergebnis des aktuellen auf Bundesebene diskutierten Dialogprozesses zur Weiterentwicklung der Kinder- und Jugendhilfe.“