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Presseartikel

Aus dem Jahr 2022

Positionspapier Rechtsextremismus: Zeit zu handeln!

| Positionspapier

Verabschiedet vom Verbandsrat des Paritätischen Wohlfahrtsverbands Niedersachsen e.V. in seiner Sitzung am 15. Oktober 2019

Das Bekenntnis zu den allgemeinen Menschenrechten eint den Paritätischen Wohlfahrtsverband Niedersachsen e.V. und seine mehr als 870 Mitgliedsorganisationen. Die universellen, unveränderlichen und unteilbaren Menschenrechte sind das Fundament einer sozialen und solidarischen Gesellschaft. Unser Menschenbild beruht auf gegenseitiger Wertschätzung. Wir engagieren uns für und mit Menschen, die hilfebedürftig, sozial oder wirtschaftlich benachteiligt sind. Diesen Menschen geben wir öffentlich eine Stimme. Dabei sind wir getragen von der Idee der Parität, der Gleichheit aller in ihrem Ansehen und ihren Möglichkeiten, und getragen von Prinzipien der Toleranz, Offenheit und Vielfalt.

 

Der entsetzliche Terroranschlag in Halle an der Saale auf eine Synagoge an Jom Kippur, dem höchsten jüdischen Feiertag, hat uns, den Paritätischen Wohlfahrtsverband Niedersachsen e.V. und seine Mitglieder, fassungslos zurückgelassen. Bei dem gescheiterten Versuch, ein Massaker unter den Gläubigen zu verursachen, sind zwei unbeteiligte Personen getötet und zwei weitere Personen schwer verletzt worden.

 

Unser Mitgefühl und unsere Solidarität gelten den Familien und Freunden
der Getöteten und der Verletzten. Wir denken auch an unsere jüdischen Mitbürgerinnen
und Mitbürger, die durch diesen Anschlag in ihren Grundfesten bedroht sind.

 

Fakt ist, dass sich dieser rechtsradikale und antisemitische Anschlag in eine Kette von neonazistischen Gewalttaten einreiht, die wir mit Sorge in den vergangenen Jahren beobachten mussten. Dieser antisemitische Angriff auf Demokratie und Religionsfreiheit hat eine neue Qualität und muss ein Wendepunkt im Denken und Handeln von allen sein!


Der Nährboden für die massiv zunehmende Gewalt wird gelegt durch eine Verrohung der politischen Kultur, im Internet, aber auch auf Straßen und Plätzen und in Parlamenten. Fortwährende Tabubrüche wie die Relativierung des Holocaust, die Kategorisierung in „echte“ und „unechte“ Deutsche und eine Umdeutung des Begriffs der Meinungsfreiheit im Sinne einer totalitären „Parteimeinung“ sind mittlerweile weit in den politischen Diskurs und in unsere Wahrnehmung des Sagbaren vorgedrungen. Diese Entwicklung lehnt der Paritätische Wohlfahrtsverband Niedersachsen aufs Schärfste ab und verurteilt jede Form von Hasskriminalität und Menschenfeindlichkeit. Bürger- und Freiheitsrechte sind das höchste Gut und müssen gewahrt werden!

 

Wir fordern daher:

  • Die vollständige Aufklärung dieser schrecklichen Straftat auch in Bezug auf etwaige Hintermänner und Netzwerke, auch über nationale Grenzen hinweg.
  • Die Entwicklung einer klaren politischen und juristischen Strategie gegen die Verbreitung von Hassbotschaften im Internet. Religiöse und ethnische Minderheiten, Frauen, Politikerinnen und Politiker sowie Menschen, die sich offen gegen Rechts positionieren, werden im Internet systematisch angefeindet. Das muss konsequent strafrechtlich verfolgt werden, bevor der Hass in physische Gewalt mündet. Dazu gehört auch eine Ergänzung der §§ 84 ff. StGB um antisemitisch orientierte Straftaten.
  • Eine neue Fokussierung auf die innere Führung unserer Sicherheitsorgane. Beamte und Soldaten müssen fest auf dem Boden des Grundgesetzes stehen.
  • Die Förderung des bürgerschaftlichen Engagements gegen Rechts und aktives Eintreten für demokratische und gesellschaftliche Werte durch den Staat und die Gesellschaft. Konkret auch die Rücknahme des Förderstopps für Aussteigerprojekte wie EXIT-Deutschland.
  • Sensibilisierung, Bildung und Prävention müssen fester Bestandteil sämtlicher Curricula werden, auch um dem „Vergessen“ entgegenzusteuern.


Der Verbandsrat des Paritätischen Wohlfahrtsverbands Niedersachsen e.V. hat sich diesen Themen in seiner Sitzung am 15.10.2019 ausführlich gewidmet.


Klar muss sein, dass jetzt die Zeit ist zu handeln. Es muss endlich Selbstverständlichkeit werden, gegen Antisemitismus, Antiislamismus und Rassismus sowie jede Form von Menschenfeindlichkeit aufzustehen. Jeder Einzelne ist aufgefordert, sich schützend vor Demokratie und Freiheit zu stellen.

 

Der Paritätische Wohlfahrtsverband Niedersachsen e.V.
und seine Mitgliedsorganisationen
Hannover, im Oktober 2019