Presseartikel
Rede anlässlich des Neujahrempfangs des Paritätischen Hameln-Pyrmont 2015
Was ist eine inklusive Gesellschaft?
Anrede
Wettkämpfe im Schwimmen. Die Tribüne ist voll besetzt. Ich inmitten des Teams aus Deutschland, Hinter uns Ukrainer, neben uns Niederländer. Der Hallensprecher bittet um Ruhe. Das Startsignal für 100m ertönt.
Auf Bahn sieben schwimmt eine Italienerin. Sie gibt alles, liegt an der Spitze und da passiert es. Sie schlägt nach 50m an – und reißt die Arme nach oben, jubelt, ist Glück pur! Inzwischen hat das gesamte übrige Feld seine Wende hinter sich. Die Italienerin merkt, etwas stimmt nicht, Am Beckenrand entsteht Bewegung. Alle wollen ihr klar machen: du musst noch zurück. Aber ihr ganzer Schwung ist weg. Nun gibt es Unterstützung vom Publikum und mit letzter Kraft schafft sie den Weg bis zum Ziel! Als sie ankommt, tobt die Halle vor Freude. Die anderen Athleten, Trainer und Begleiter feiern sie wie einen Star. Sie hat es geschafft! Erlebt bei den European Special Olympics in Antwerpen im Sommer 2014.
Anrede
Kaum ist das neue Jahr da, lädt der Paritätische ein. Ich bin sicher, es geht Ihnen so wie mir: Ich habe mich auf dieses Treffen sehr gefreut!
Bewegte, Engagierte und Interessierte zu treffen, das ist besonders leicht, wenn der „Pari“ einlädt. Deshalb ist es gut, dass Zeit zum Gespräch bleibt. Typisch für alle Gespräche und geradezu zwingend für jede Ansprache in diesen Tagen ist es, ein erfolgreiches und glückliches 2015 zu wünschen.
Wie oft haben wir uns in den letzten Tagen „alles Gute“ und „viel Glück“ gewünscht. Wenn davon auch nur ein Bruchteil in Erfüllung geht, dann stehen uns rosige bzw. goldene Zeiten bevor. Allerdings wissen wir auch, dass es im wirklichen Leben mit dem Glück so eine Sache ist.
Deshalb habe ich mal nachgelesen. Es gibt viele Literatur über Glück. In den USA ist „The Pursuit of Happiness“, das Streben nach Glück sogar in der Verfassung verankert und auch der Deutsche Bundestag hat sich in der letzten Legislatur im Rahmen der Enquete-Kommission „Wachstum, Wohlstand, Lebensqualität“ mit dem Thema befasst.
Was sagt uns die Fachwelt über Glück und was hat das mit Politik zu tun?
Die erste Stufe unserer Vorstellungen vom Glück besteht im Vergnügungsglück (Pleasure). 70% der Menschen in der Gesellschaft verfolgen diese Strategie: Je mehr ich von allem habe und erreiche, desto glücklicher bin ich und desto erfüllter ist mein Leben. Dieses Glücksideal zwingt zum Vergleich mit anderen, denn wie viel genug ist, bewerte ich im Vergleich mit anderen. Es ist das Immer-Mehr-Prinzip und verlangt nach Absicherung erreichten Wohlgefühls und Wohlstands1.
Die zweite Stufe unserer Vorstellungen von Glück ist das Leidenschaftsglück (Passion). 20% der Bevölkerung haben hier ihren Glücksschwerpunkt. Gemeint ist ein Konzept, bei dem Glück erlebt wird in Momenten bei denen wir so vertieft sind, dass nichts anderes eine Rolle zu spielen scheint. „Flow“ nennen die Experten diesen Zustand. Und den, das werden den meisten hier hoffentlich bereits selbst erlebt haben, kann man bei der Gartenarbeit, dem Angeln, beim Diskutieren, Forschen oder auch bei Erfolg mit Geschäften erleben.
Und dann ist da noch das Glück als Sinn (Higher Purpose). 10% der Menschen fühlen sich auf diese Weise glücklich. Es entsteht, wenn wir uns als Teil von etwas Größerem fühlen, das von Bedeutung ist. Mir fällt dabei sofort das Bild vom Bau der Kathedralen im Mittelalter ein, heute sind es vielleicht auch noch riesige Gebäude, aber genauso gut kann Glück empfunden werden bei gemeinnützigen Arbeit in der Gemeinde oder gelingenden politischen Projekten. Denn dann bekommt die eigene Handlung einen Rahmen, der sie mit Sinn auflädt, dann haben wir das Gefühl, dass das was wir tun, einer Richtung folgt, uns persönliches Wachstum ermöglicht und die Umwelt bereichert.
Viele von Ihnen sind auf diese Weise Engagierte, ob ehrenamtlich oder hauptberuflich. Ohne Sie gäbe es nicht die Lebensqualität, an die wir uns so gewöhnt haben. Ohne Sie würde unsere Gesellschaft allerdings auch in Selbstbezug und Selbstzufriedenheit nicht nur individueller, sondern immer egoistischer werden. Daher meine Bitte: Bleiben sie kritisch, bleiben sie wach und engagiert!
Was auch immer sie tun, Sie kennen das sicher auch, wenn Sie „in ihrem Element“ sind, wenn Freude, Antrieb und Ziel in einem stabilen Zustand sind. Dann erleben wir erfüllende, glückliche Momente, dann fühlt es sich „richtig“ an.
Das Glück in der Schwimmhalle in Antwerpen fühlte sich sicher auch für jeden anders an. Die Sieger, die Trainerinnen und Organisatoren und für junge Italienerin, eine geistig behinderte Athletin
Für mich hat es viele solcher Momente im vergangenen Jahr gegeben. Sie wissen, ich habe die Freude einer zusätzlichen Aufgabe bekommen als Parlamentarische Staatssekretärin bei der Ministerin für Arbeit und Soziales Andrea Nahles.
Wohl nicht alles, aber vieles hat sich in meiner Arbeit im vorgenannten Sinn „richtig“ angefühlt. Liegen in meinem Arbeitsbereich die Themen Alterssicherung und Politik mit und für Menschen mit Behinderungen.
Anrede
„Es ist normal verschieden zu sein.“ Finden Sie nicht auch? Schauen Sie sich doch einmal um! Niemand ist „doppelt“, jede und jeder einzigartig, niemand irgendwie „vollkommen“, dennoch fühlen wir uns mittendrin im Leben und sind es vermutlich auch.
Wir wissen, das gilt lange nicht für alle. Je größer ein Handicap oder umso mehr davon jemand hat, desto schwieriger ist es, mitten in der Gesellschaft zu sein. Was sagt das über eine Gesellschaft?
Ich behaupte: Eine menschliche Gesellschaft ist immer eine inklusive Gesellschaft! Und das lässt sich auch noch viel konkreter beschreiben.
Ein menschliches Deutschland, Niedersachsen, Hameln-Pyrmont, Hameln ist immer ein inklusives …. !
Anrede
Wir stimmen hoffentlich darin überein, dass eine inklusive Gesellschaft ein richtiges, ein wichtiges und ein erreichbares Ziel ist, wir aber noch „unterwegs“ sind und vielfältige Barrieren auf allen Ebenen zu überwinden bzw. zu beseitigen sind.
Was ist eine inklusive Gesellschaft?
Meine Aufgabe heute ist es, sie kurz über die wichtigen Meilensteine auf Bundesebene zu informieren. Denn diese Bundesregierung hat sich viel vorgenommen in Sachen INKLUSION.
Deshalb heißt es im Koalitionsvertrag: „Wir wollen die Menschen, die aufgrund einer wesentlichen Behinderung nur eingeschränkte Möglichkeiten der Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft haben, aus dem bisherigen „Fürsorgesystem“ herausführen und die Eingliederungshilfe zu einem modernen Teilhaberecht weiterentwickeln.“
Dazu haben wir uns übrigens bereits 2006 verpflichtet, als Deutschland die UN-Behindertenrechtskonvention unterschrieben hat. Das war eine wichtige Wegmarke. Ihr gingen jedoch einige wichtige Rechtssetzungen voraus.
Vieles davon ermöglicht Betroffenen teilzuhaben, an Schule, an Arbeit, an Kultur, an Politik oder anderem. Aber manche Regelung erreicht weder dieses Ziel, noch kann im Zusammenwirken unterschiedlicher Rechtskreise und Institutionen eine aus der Sicht der Betroffenen akzeptable Lösung gefunden werden.
Dabei gibt es kaum eine andere Gruppe in unserer Gesellschaft für die und mit der so engagiert gearbeitet wird. Das fängt in der Früherkennung und Frühförderung an, geht weiter über Kitas und Schulen und hört bei den Werkstätten für Menschen mit Behinderungen nicht auf. Erst kürzlich konnte ich mich bei einem Unterrichtsbesuch in der Albert-Schweitzer-Schule einen Einblick in hoch professionelle Arbeit gewinnen. Einige von ihnen sind heute hier und sie sollten unseren Dank und unseren Anerkennung für ihre Arbeit mitnehmen.
Gleichwohl sehen gerade diese Profis, wie unser System in der Defizitorientierung stecken bleibt und wie schwierig es ist, zu einer Ressourcenorientierung zu kommen. Und sie erleben tagtäglich noch etwas anderes. Die Vielfalt der Beeinträchtigungen und die sehr unterschiedlichen Entwicklungspotentiale.
Wegen ihrer Erfahrung und ihrer Expertise brauchen wir sie auf dem Weg in einer inklusive Gesellschaft. Auf diesem langen, mühevollen Weg geht es darum, die Abschnitte richtig zu wählen, das geeignete Tempo zu finden.
Anrede
Und die Betroffenen? Um die geht es doch! Wie sehen sie das denn mit der inklusiven Gesellschaft? Ja, was glauben Sie denn? Sie sind wie du und ich. Sie möchten gut leben, soviel Freiheit und Selbstbestimmung wie möglich, soviel Schutz und Sicherheit wie nötig, sie möchten in Beziehungen leben, was lernen, Arbeiten und Urlaub haben, medizinisch gut versorgt sein und wie alle anderen auch mitmischen, wenn es um ihre Angelegenheiten geht. „Nichts über uns ohne uns“, na klar.
Deshalb hat Ministerin Nahles im Vorfeld der Arbeit am Bundesteilhabegesetz eine große Arbeitsgruppe ins Leben gerufen mit Verbänden von Betroffenen, Bundesländern, Wohlfahrtsverbänden, Sozialversicherungen und anderen, die zu allen Fragen rund um ein modernes Teilhabegesetz arbeiten. Ich leite diese Sitzungen und bin sehr angetan vom Miteinander. Übrigens arbeiten wir sehr transparent. Wer sich informieren möchte, kann das im Internet unter www.gemeinsam-einfach-machen.de
Anrede
Im Frühjahr werden wir die Arbeit in dieser wichtigen Gruppe abschließen. Dann geht es an die Arbeit der Gesetzgebung. Sicher werden nicht alle Wünsche von allen in Erfüllung gehen. Zumal uns finanziell enge Grenzen gesetzt sind. Aber viel können und wollen wir erreichen. Dazu ein paar Beispiele:
Anrede
Sie sehen, der Gesetzgeber kann viel beitragen zu einer inklusiven Gesellschaft. Übrigens nicht nur in der Sozialpolitik. Barrieren finden wir an vielen Orten. Ob im ÖPNV, in den Medien, auf Wegen und Straßen, in Kitas, Schulen, öffentlichen Einrichtungen, im Sport, in Geschäften und Kneipen. Überall können rechtliche Rahmenbedingungen Inklusion befördern.
Auch das Land Niedersachsen ist in Sachen Inklusion unterwegs. Hier ist sicher das zentrale Politikfeld die Schulpolitik. Ein Aktionsplan, der alle Politikfelder erfasst, ist in Arbeit.
Landkreis und Gemeinden sind ebenso gefordert. Und das alles für ein paar hunderttausend Menschen mit Behinderungen, fragen einige Skeptiker.
Ja, in erster Linie geht um die Menschen mit wesentlichen Behinderungen. Ca. 680 000 von Ihnen sind Empfänger von Leistungen der Eingliederungshilfe. 70% erhalten Leistungen in Einrichtungen, noch sind nur wenige von ihnen über 65 Jahre alt. Aber jedes Jahr kommen weitere dazu, mit seelischer, geistiger oder körperlicher Behinderung. Und nicht nur für sie ist eine inklusive Gesellschaft ein Fortschritt.
Anrede
Was verbindet die Unternehmen Forever Clean2, Schneider Electric Sachsenwerk GmbH3, den Softwarekonzern SAP SE4 und die Hausärztin Dr. Heide Forstreuter-Walbert mit dem im selben Haus ansässigen Gasthof Freiämter Hof im Schwarzwald?
Sie alle sind Gewinner des Inklusionspreises 2014. Der vom UnternehmensForum ausgelobte Preis prämiert beispielhaftes Engagement in der Ausbildung und Beschäftigung von Menschen mit Handicap. In diesem Jahr wurde er gemeinsam mit der Bundesvereinigung Deutscher Arbeitgeberverbände, der Bundesagentur für Arbeit und der Charta der Vielfalt verliehen.
Der Preis wird jährlich ausgelobt und ich würde mich sehr freuen, wenn in Zukunft auch Unternehmen aus unserer Region dabei wären. Hilfestellung biete ich gern an!
Anrede
Inklusion ist für uns alle eine Bereicherung, es ist für alle eine Anstrengung, denn es gilt, Gemeinsamkeit zu entdecken und zu erleben. Einfach menschlich eben.
Und das steht im harten Kontrast zum Alltag von vielen.
Erinnern Sie sich noch an den Wettkampf in der Schwimmhalle in Antwerpen, von dem ich anfangs erzählt habe? Möchten Sie dieses wahrhaft olympische Glück auch mal miterleben? Sie haben dazu die Gelegenheit, denn die nächsten nationalen Sommerspiele der Special Olympics werden 2016 in Hannover stattfinden.
Zurück zu den Ergebnissen der Glücksforschung. Glück als Sinn (Higher Purpose), das führt zu hoher Lebenszufriedenheit. Sicher verfügen Sie dazu über eigene Erfahrung, ich wünsche Ihnen das sehr.
Wenn Sie dann darüber nachdenken, wie erfüllend es ist, wenn wir Behinderung nicht als das Signal für Ausgrenzung betrachten, sondern als eine Facette in der Vielfalt von gemeinsamem Leben, Lieben und Arbeiten, ja dann wird es ein gutes Jahr 2015!
[1] Jeremany Bentham, britischer Pholosoph
[2] Gewinner in der Kategorie „11 bis 100 Mitarbeiter“
[3] 101 bis 1.000“ Mitarbeiter
[4] Mehr als 10.000 Mitarbeiter
Es gilt das gesprochene Wort!
Anrede
Wettkämpfe im Schwimmen. Die Tribüne ist voll besetzt. Ich inmitten des Teams aus Deutschland, Hinter uns Ukrainer, neben uns Niederländer. Der Hallensprecher bittet um Ruhe. Das Startsignal für 100m ertönt.
Auf Bahn sieben schwimmt eine Italienerin. Sie gibt alles, liegt an der Spitze und da passiert es. Sie schlägt nach 50m an – und reißt die Arme nach oben, jubelt, ist Glück pur! Inzwischen hat das gesamte übrige Feld seine Wende hinter sich. Die Italienerin merkt, etwas stimmt nicht, Am Beckenrand entsteht Bewegung. Alle wollen ihr klar machen: du musst noch zurück. Aber ihr ganzer Schwung ist weg. Nun gibt es Unterstützung vom Publikum und mit letzter Kraft schafft sie den Weg bis zum Ziel! Als sie ankommt, tobt die Halle vor Freude. Die anderen Athleten, Trainer und Begleiter feiern sie wie einen Star. Sie hat es geschafft! Erlebt bei den European Special Olympics in Antwerpen im Sommer 2014.
Anrede
Kaum ist das neue Jahr da, lädt der Paritätische ein. Ich bin sicher, es geht Ihnen so wie mir: Ich habe mich auf dieses Treffen sehr gefreut!
Bewegte, Engagierte und Interessierte zu treffen, das ist besonders leicht, wenn der „Pari“ einlädt. Deshalb ist es gut, dass Zeit zum Gespräch bleibt. Typisch für alle Gespräche und geradezu zwingend für jede Ansprache in diesen Tagen ist es, ein erfolgreiches und glückliches 2015 zu wünschen.
Wie oft haben wir uns in den letzten Tagen „alles Gute“ und „viel Glück“ gewünscht. Wenn davon auch nur ein Bruchteil in Erfüllung geht, dann stehen uns rosige bzw. goldene Zeiten bevor. Allerdings wissen wir auch, dass es im wirklichen Leben mit dem Glück so eine Sache ist.
Deshalb habe ich mal nachgelesen. Es gibt viele Literatur über Glück. In den USA ist „The Pursuit of Happiness“, das Streben nach Glück sogar in der Verfassung verankert und auch der Deutsche Bundestag hat sich in der letzten Legislatur im Rahmen der Enquete-Kommission „Wachstum, Wohlstand, Lebensqualität“ mit dem Thema befasst.
Was sagt uns die Fachwelt über Glück und was hat das mit Politik zu tun?
Die erste Stufe unserer Vorstellungen vom Glück besteht im Vergnügungsglück (Pleasure). 70% der Menschen in der Gesellschaft verfolgen diese Strategie: Je mehr ich von allem habe und erreiche, desto glücklicher bin ich und desto erfüllter ist mein Leben. Dieses Glücksideal zwingt zum Vergleich mit anderen, denn wie viel genug ist, bewerte ich im Vergleich mit anderen. Es ist das Immer-Mehr-Prinzip und verlangt nach Absicherung erreichten Wohlgefühls und Wohlstands1.
Die zweite Stufe unserer Vorstellungen von Glück ist das Leidenschaftsglück (Passion). 20% der Bevölkerung haben hier ihren Glücksschwerpunkt. Gemeint ist ein Konzept, bei dem Glück erlebt wird in Momenten bei denen wir so vertieft sind, dass nichts anderes eine Rolle zu spielen scheint. „Flow“ nennen die Experten diesen Zustand. Und den, das werden den meisten hier hoffentlich bereits selbst erlebt haben, kann man bei der Gartenarbeit, dem Angeln, beim Diskutieren, Forschen oder auch bei Erfolg mit Geschäften erleben.
Und dann ist da noch das Glück als Sinn (Higher Purpose). 10% der Menschen fühlen sich auf diese Weise glücklich. Es entsteht, wenn wir uns als Teil von etwas Größerem fühlen, das von Bedeutung ist. Mir fällt dabei sofort das Bild vom Bau der Kathedralen im Mittelalter ein, heute sind es vielleicht auch noch riesige Gebäude, aber genauso gut kann Glück empfunden werden bei gemeinnützigen Arbeit in der Gemeinde oder gelingenden politischen Projekten. Denn dann bekommt die eigene Handlung einen Rahmen, der sie mit Sinn auflädt, dann haben wir das Gefühl, dass das was wir tun, einer Richtung folgt, uns persönliches Wachstum ermöglicht und die Umwelt bereichert.
Viele von Ihnen sind auf diese Weise Engagierte, ob ehrenamtlich oder hauptberuflich. Ohne Sie gäbe es nicht die Lebensqualität, an die wir uns so gewöhnt haben. Ohne Sie würde unsere Gesellschaft allerdings auch in Selbstbezug und Selbstzufriedenheit nicht nur individueller, sondern immer egoistischer werden. Daher meine Bitte: Bleiben sie kritisch, bleiben sie wach und engagiert!
Was auch immer sie tun, Sie kennen das sicher auch, wenn Sie „in ihrem Element“ sind, wenn Freude, Antrieb und Ziel in einem stabilen Zustand sind. Dann erleben wir erfüllende, glückliche Momente, dann fühlt es sich „richtig“ an.
Das Glück in der Schwimmhalle in Antwerpen fühlte sich sicher auch für jeden anders an. Die Sieger, die Trainerinnen und Organisatoren und für junge Italienerin, eine geistig behinderte Athletin
Für mich hat es viele solcher Momente im vergangenen Jahr gegeben. Sie wissen, ich habe die Freude einer zusätzlichen Aufgabe bekommen als Parlamentarische Staatssekretärin bei der Ministerin für Arbeit und Soziales Andrea Nahles.
Wohl nicht alles, aber vieles hat sich in meiner Arbeit im vorgenannten Sinn „richtig“ angefühlt. Liegen in meinem Arbeitsbereich die Themen Alterssicherung und Politik mit und für Menschen mit Behinderungen.
Anrede
„Es ist normal verschieden zu sein.“ Finden Sie nicht auch? Schauen Sie sich doch einmal um! Niemand ist „doppelt“, jede und jeder einzigartig, niemand irgendwie „vollkommen“, dennoch fühlen wir uns mittendrin im Leben und sind es vermutlich auch.
Wir wissen, das gilt lange nicht für alle. Je größer ein Handicap oder umso mehr davon jemand hat, desto schwieriger ist es, mitten in der Gesellschaft zu sein. Was sagt das über eine Gesellschaft?
Ich behaupte: Eine menschliche Gesellschaft ist immer eine inklusive Gesellschaft! Und das lässt sich auch noch viel konkreter beschreiben.
Ein menschliches Deutschland, Niedersachsen, Hameln-Pyrmont, Hameln ist immer ein inklusives …. !
Anrede
Wir stimmen hoffentlich darin überein, dass eine inklusive Gesellschaft ein richtiges, ein wichtiges und ein erreichbares Ziel ist, wir aber noch „unterwegs“ sind und vielfältige Barrieren auf allen Ebenen zu überwinden bzw. zu beseitigen sind.
Was ist eine inklusive Gesellschaft?
Meine Aufgabe heute ist es, sie kurz über die wichtigen Meilensteine auf Bundesebene zu informieren. Denn diese Bundesregierung hat sich viel vorgenommen in Sachen INKLUSION.
Deshalb heißt es im Koalitionsvertrag: „Wir wollen die Menschen, die aufgrund einer wesentlichen Behinderung nur eingeschränkte Möglichkeiten der Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft haben, aus dem bisherigen „Fürsorgesystem“ herausführen und die Eingliederungshilfe zu einem modernen Teilhaberecht weiterentwickeln.“
Dazu haben wir uns übrigens bereits 2006 verpflichtet, als Deutschland die UN-Behindertenrechtskonvention unterschrieben hat. Das war eine wichtige Wegmarke. Ihr gingen jedoch einige wichtige Rechtssetzungen voraus.
- Seit 1994 hat der Artikel 3 Absatz 3 unserer Verfassung einen zweiten Satz: Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.
- Seit 2001 haben wir das Neunte Buch des Sozialgesetzbuches „Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen“,
- seit 2002 das Behindertengleichstellungsgesetz und
- seit 2006 das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz.
Vieles davon ermöglicht Betroffenen teilzuhaben, an Schule, an Arbeit, an Kultur, an Politik oder anderem. Aber manche Regelung erreicht weder dieses Ziel, noch kann im Zusammenwirken unterschiedlicher Rechtskreise und Institutionen eine aus der Sicht der Betroffenen akzeptable Lösung gefunden werden.
Dabei gibt es kaum eine andere Gruppe in unserer Gesellschaft für die und mit der so engagiert gearbeitet wird. Das fängt in der Früherkennung und Frühförderung an, geht weiter über Kitas und Schulen und hört bei den Werkstätten für Menschen mit Behinderungen nicht auf. Erst kürzlich konnte ich mich bei einem Unterrichtsbesuch in der Albert-Schweitzer-Schule einen Einblick in hoch professionelle Arbeit gewinnen. Einige von ihnen sind heute hier und sie sollten unseren Dank und unseren Anerkennung für ihre Arbeit mitnehmen.
Gleichwohl sehen gerade diese Profis, wie unser System in der Defizitorientierung stecken bleibt und wie schwierig es ist, zu einer Ressourcenorientierung zu kommen. Und sie erleben tagtäglich noch etwas anderes. Die Vielfalt der Beeinträchtigungen und die sehr unterschiedlichen Entwicklungspotentiale.
Wegen ihrer Erfahrung und ihrer Expertise brauchen wir sie auf dem Weg in einer inklusive Gesellschaft. Auf diesem langen, mühevollen Weg geht es darum, die Abschnitte richtig zu wählen, das geeignete Tempo zu finden.
Anrede
Und die Betroffenen? Um die geht es doch! Wie sehen sie das denn mit der inklusiven Gesellschaft? Ja, was glauben Sie denn? Sie sind wie du und ich. Sie möchten gut leben, soviel Freiheit und Selbstbestimmung wie möglich, soviel Schutz und Sicherheit wie nötig, sie möchten in Beziehungen leben, was lernen, Arbeiten und Urlaub haben, medizinisch gut versorgt sein und wie alle anderen auch mitmischen, wenn es um ihre Angelegenheiten geht. „Nichts über uns ohne uns“, na klar.
Deshalb hat Ministerin Nahles im Vorfeld der Arbeit am Bundesteilhabegesetz eine große Arbeitsgruppe ins Leben gerufen mit Verbänden von Betroffenen, Bundesländern, Wohlfahrtsverbänden, Sozialversicherungen und anderen, die zu allen Fragen rund um ein modernes Teilhabegesetz arbeiten. Ich leite diese Sitzungen und bin sehr angetan vom Miteinander. Übrigens arbeiten wir sehr transparent. Wer sich informieren möchte, kann das im Internet unter www.gemeinsam-einfach-machen.de
Anrede
Im Frühjahr werden wir die Arbeit in dieser wichtigen Gruppe abschließen. Dann geht es an die Arbeit der Gesetzgebung. Sicher werden nicht alle Wünsche von allen in Erfüllung gehen. Zumal uns finanziell enge Grenzen gesetzt sind. Aber viel können und wollen wir erreichen. Dazu ein paar Beispiele:
- Gelingen könnte, dass alle Kinder und Jugendlichen mit Behinderungen aus einem Rechtskreis ihre Leistungen erhalten. Momentan entscheidet die Art der Behinderung, ob ein Kind über die Jugendhilfe oder die Eingliederungshilfe Ansprüche hat.
- Gelingen könnte, dass wir Fachleistungen der Eingliederungshilfe trennen von existenzsichernden Leistungen.
- Gelingen könnte ein Einstieg in eine Unabhängigkeit der Leistungen der Eingliederungshilfe von Einkommen und/oder Vermögen.
- Gelingen könnte, dass Leistungen zur sozialen Teilhabe eine neue Wertigkeit bekommen (z.B. Mobilität, Assistenz, Wohnraumumbau bzw. –erhalt)
- Gelingen könnte eine Öffnung der Werkstätten, den Zugang und den Übergang in den allgemeinen Arbeitsmarkt betreffend
Anrede
Sie sehen, der Gesetzgeber kann viel beitragen zu einer inklusiven Gesellschaft. Übrigens nicht nur in der Sozialpolitik. Barrieren finden wir an vielen Orten. Ob im ÖPNV, in den Medien, auf Wegen und Straßen, in Kitas, Schulen, öffentlichen Einrichtungen, im Sport, in Geschäften und Kneipen. Überall können rechtliche Rahmenbedingungen Inklusion befördern.
Auch das Land Niedersachsen ist in Sachen Inklusion unterwegs. Hier ist sicher das zentrale Politikfeld die Schulpolitik. Ein Aktionsplan, der alle Politikfelder erfasst, ist in Arbeit.
Landkreis und Gemeinden sind ebenso gefordert. Und das alles für ein paar hunderttausend Menschen mit Behinderungen, fragen einige Skeptiker.
Ja, in erster Linie geht um die Menschen mit wesentlichen Behinderungen. Ca. 680 000 von Ihnen sind Empfänger von Leistungen der Eingliederungshilfe. 70% erhalten Leistungen in Einrichtungen, noch sind nur wenige von ihnen über 65 Jahre alt. Aber jedes Jahr kommen weitere dazu, mit seelischer, geistiger oder körperlicher Behinderung. Und nicht nur für sie ist eine inklusive Gesellschaft ein Fortschritt.
Anrede
Was verbindet die Unternehmen Forever Clean2, Schneider Electric Sachsenwerk GmbH3, den Softwarekonzern SAP SE4 und die Hausärztin Dr. Heide Forstreuter-Walbert mit dem im selben Haus ansässigen Gasthof Freiämter Hof im Schwarzwald?
Sie alle sind Gewinner des Inklusionspreises 2014. Der vom UnternehmensForum ausgelobte Preis prämiert beispielhaftes Engagement in der Ausbildung und Beschäftigung von Menschen mit Handicap. In diesem Jahr wurde er gemeinsam mit der Bundesvereinigung Deutscher Arbeitgeberverbände, der Bundesagentur für Arbeit und der Charta der Vielfalt verliehen.
Der Preis wird jährlich ausgelobt und ich würde mich sehr freuen, wenn in Zukunft auch Unternehmen aus unserer Region dabei wären. Hilfestellung biete ich gern an!
Anrede
Inklusion ist für uns alle eine Bereicherung, es ist für alle eine Anstrengung, denn es gilt, Gemeinsamkeit zu entdecken und zu erleben. Einfach menschlich eben.
Und das steht im harten Kontrast zum Alltag von vielen.
Erinnern Sie sich noch an den Wettkampf in der Schwimmhalle in Antwerpen, von dem ich anfangs erzählt habe? Möchten Sie dieses wahrhaft olympische Glück auch mal miterleben? Sie haben dazu die Gelegenheit, denn die nächsten nationalen Sommerspiele der Special Olympics werden 2016 in Hannover stattfinden.
Zurück zu den Ergebnissen der Glücksforschung. Glück als Sinn (Higher Purpose), das führt zu hoher Lebenszufriedenheit. Sicher verfügen Sie dazu über eigene Erfahrung, ich wünsche Ihnen das sehr.
Wenn Sie dann darüber nachdenken, wie erfüllend es ist, wenn wir Behinderung nicht als das Signal für Ausgrenzung betrachten, sondern als eine Facette in der Vielfalt von gemeinsamem Leben, Lieben und Arbeiten, ja dann wird es ein gutes Jahr 2015!
[1] Jeremany Bentham, britischer Pholosoph
[2] Gewinner in der Kategorie „11 bis 100 Mitarbeiter“
[3] 101 bis 1.000“ Mitarbeiter
[4] Mehr als 10.000 Mitarbeiter
Es gilt das gesprochene Wort!